Digitalisierungsreihe (4/5): Markteinführung

Most startups don’t fail because they can’t build a product. Most startups fail because they can’t get traction.” (G. Weinberg & J. Mares, Traction) Auch wenn sich diese Aussage ausdrücklich auf Startups bezieht, ist sie genauso gültig für jedes Digitalisierungsprojekt: Ein tolles Produkt reicht nicht aus, da es sich in der Regel nicht von alleine verkauft; man muss aktiv Nutzer/Kunden mit ins Boot holen, um von Null auf Hundert zu kommen.

Wie bringen Sie also ein digitales Produkt auf den Markt? Es gibt viele mögliche Ansatzpunkte, angefangen bei Verkauf und Vertrieb, über das Marketing und bis hin zur Werbung.

Dank unserer 30-jährigen Erfahrung in der Softwarebranche können wir beobachten, dass sich die Markteinführungsaktivitäten in mehrere Bereiche aufgliedern:

  • Da es sich bei digitalen Produkten/Dienstleistungen um Neuheiten handelt, müssen sie in ihrem Wertversprechen durch eine klare Positionierung und Kommunikation unterstützt werden. (Siehe unseren früheren Artikel Wie Digitalisierung funktioniert: Digitale Werte schaffen, bewerten und verwalten (2/5); und siehe unten: Positionierung)
  • Die Märkte sind in der Regel segmentiert, und nicht alle potenziellen Kunden sind zum Zeitpunkt Ihrer Markteinführung kaufbereit. Der Technology Adoption Lifecycle hilft, entsprechend Ihrer Strategie und Ihrem Zeitplan, die verschiedenen Kundentypen zu verstehen (und anzusprechen). [Siehe unten: Technology Adoption Lifecycle]
  • Eine gute Strategie ist nur hilfreich, wenn sie mit den richtigen Taktiken kombiniert wird. [Siehe unten: Taktiken]

1. Strategische Aspekte

Angesichts der unendlich vielen digitalen Produkte, Lösungen und Plattformen, die bereits auf dem Markt sind, wo soll man da überhaupt anfangen, wenn es darum geht, ein digitales Produkt auf den Markt einzuführen? Sollten (/Könnten) Sie versuchen, jeden zu erreichen, der ein potenzieller Kunde/Nutzer ist? Auch wenn das verlockend klingt, ist der Ansatz „jeder kann ein Nutzer sein, also können wir an jeden verkaufen“ wahrscheinlich der schlechteste – man kann definitiv nicht für alle alles bieten.

1.1. Positionierung

Einer der ersten Schritte bei der Einführung innovativer digitaler Produkte ist es, deutlich zu machen, was das Produkt eigentlich ist. Für Sie selbst ist das coole neue Produkt ganz einfach, aber die Kunden verstehen es vielleicht nicht von Anfang an. Wenn die Kunden nicht verstehen, was Sie verkaufen, kann es zu einem schwachen Vertriebsergebnis, einer hohen Abwanderungsrate bei den Kunden und/oder zu Preisdruck führen.

Hier kommt die Positionierung ins Spiel: “the act of deliberately defining how you are the best at something that a defined market cares a lot about.” (April Dunford, Autorin von Obviously awesome) Die Positionierung ist die Schnittmenge aus Ihrem digitalen Produkt, seiner Kategorie, dem wahrgenommenen Mehrwert und den Kunden an sich.

Um Ihre Positionierung zu ermitteln, müssen Sie zunächst mehrere Aspekte klären:

  • Die Wettbewerbsalternativen: Was Ihre potenziellen Kunden derzeit (d. h. ohne, dass sich Ihr Produkt auf dem Markt befindet) verwenden. Bei Unternehmenssoftware können das z. B. MS Office und/oder manuelle Prozesse sein.
  • Die einzigartigen Funktionen / Features / Eigenschaften Ihres Produkts: Diese können entweder rein produktbezogen sein (z. B. kann nur Ihr Tablet LiDAR-Scans durchführen) oder aus Ihrem Geschäftsmodell resultieren (z. B. lassen sich nur über Ihre Plattform alle Zahlungssysteme integrieren).
  • Der Kundennutzen, der sich aus Ihren einzigartigen Qualitätsmerkmalen ergibt, die idealerweise von objektiven Dritten bestätigt werden.
  • Die Marktkategorie stellt einen Referenzrahmen für Ihre Kunden dar und schafft eine Reihe von Annahmen bezüglich erwarteter Funktionsmerkmale, Preisgestaltung usw. Wenn Sie z. B. im Bereich CRM tätig sind, möchten Sie vielleicht vermeiden, gegen Salesforce positioniert zu werden.
  • Relevante Trends können Kunden dabei helfen zu verstehen, warum Ihr digitales Produkt/Ihre digitale Lösung gerade jetzt wichtig ist. Denken Sie an Blockchain, KI, AR/VR – und das damit verbundene Gefühl der Dringlichkeit und Wichtigkeit.

Sobald diese Elemente feststehen, können Sie sich für eine spezifische Positionierungsstrategie entscheiden, wie z. B.:

  • Kopf-an-Kopf: realistisch, wenn Sie bereits marktführend sind und „nur“ Ihr(e) Produkt(e) digitalisieren. Sie müssen nicht erklären, worum es sich bei Ihrem Angebot handelt, aber Sie müssen möglicherweise mit den Annahmen der Kunden über seine digitale Version ringen und neue (digital gestützte) Konkurrenten abwehren.
  • Großer Fisch, kleiner Teich: Es ist viel einfacher, eine Nische zu dominieren, als den gesamten Markt. Es macht Sinn, wenn einige Kundenbedürfnisse von den bestehenden Anbietern nicht angesprochen werden.
  • Ein neues Spiel erfinden: Ändern Sie die Regeln und entfachen Sie die Nachfrage neu. Die Kunden müssen verstehen, warum die ganze Kategorie einzigartig und wertvoll ist, was sich als äußerst schwierig (und meist als Langzeitaufgabe) erweisen kann. Wenn Sie es schaffen, können Sie mit außergewöhnlichen Ergebnissen rechnen.

1.2. Technology Adoption Lifecycle

Wenn Sie ein innovatives digitales Produkt auf den Markt bringen, müssen Sie den Zielkunden und deren Kaufverhalten in Bezug auf Technologien besondere Aufmerksamkeit schenken.

Der Technology Adoption Lifecycle ist Ihnen wahrscheinlich geläufig:

Um am Markt erfolgreich zu sein, muss ein digitales Produkt zunächst die sogenannten Innovators und Early Adopters ansprechen. Bei der späteren Skalierung wird das große Marktvolumen durch die Early- und Late-Majorities entstehen. Schließlich werden die Laggards dazu beitragen, den größten Nutzen aus denTechnologien zu ziehen, die bis dahin vollständig optimiert und amortisiert sind.

Für den Zweck dieses Artikels wollen wir uns kurz die ersten beiden Gruppen, ihre Interessen und ihr Verhalten ansehen:

  • Innovators sind immer auf der Suche nach neuen Technologieprodukten. Obwohl es nur wenige Innovators auf dem Markt gibt, ist es hilfreich, sie zu gewinnen, um Endorsements zu erhalten, was wiederum dazu beiträgt, weitere Gruppen auf dem Markt zu überzeugen.
  • Early Adopters folgen am zweitfrühesten im Lebenszyklus eines digitalen Produkts. Sie sind in der Regel keine Technikfreaks, aber sie schätzen und verstehen Technologie als Wettbewerbsvorteil. Für die Early Adopters wird ein ausgereiftes Produkt möglicherweise noch gar nicht benötigt, weil die Übereinstimmung mit ihren Bedürfnissen noch ergründet werden soll.

Dies mag zwar intuitiv klingen, aber in der Praxis gibt es mehrere Szenarien, die es für Ihr digitales Produkt kompliziert machen können, die ersten Absatzmärkte vollständig zu erreichen:

  • Keine Erfahrung darin, ein digitales Produkt auf den Markt zu bringen – was sich durch unzureichendes Kapital, unerfahrene Vertriebs-/Marketingmitarbeiter, ungeeignete Vertriebskanäle, falsche Werbung usw. bemerkbar macht.
  • Die Vision verkaufen, bevor man das digitale Produkt fertiggestellt hat – das kann Ihnen zwar Pilotprojekte bescheren, aber es kann auch dazu führen, dass alles in sich zusammenbricht, wenn sich das Produkt nicht weiterentwickelt oder wenn die Liefertermine nicht eingehalten werden.
  • Der Sprung von den Innovators zu den Early Adopters gelingt nicht – in der Regel, weil keine Anwendungsfälle formuliert werden, die für die größere Gruppe einen Nutzen sichtbar machen. (Siehe auch Positionierung weiter oben.)

2. Taktische Schritte

Da Sie nun die perfekte Strategie entwickelt haben, wie holen Sie nun tatsächlich die Kunden an Bord? Lassen Sie uns einen Blick auf Ellis & Browns Hacking Growth Framework werfen:

Ziele: Am Anfang ist es wichtig zu verstehen, worauf Sie sich hauptsächlich konzentrieren sollten – d. h. was sind die wichtigsten Eckpunkte für Ihre Kundenakquise. Ein möglicher Ansatz hierzu ist die Berechnung der sogenannten „Wachstumsgleichung“ für Ihr digitales Produkt.

Für Amazon zum Beispiel kann diese Gleichung wie folgt aussehen:

Vertical expansion
x Product inventory per vertical
x Traffic per product page
x Conversion to purchase
x Average purchase value
x Repeat purchase behaviour
= Revenue growth

In einigen Fällen (z. B. bei Amazon) kann diese Gleichung ziemlich komplex werden – aber die Arbeit an jedem Element der Gleichung sollte das Gesamtergebnis verbessern. Bei den meisten Produkten/Marktkategorien/Geschäftsmodellen können bessere Ergebnisse erzielt werden, wenn man sich auf eine einzige/wenige Schlüsselmetrik(en) konzentriert – sagen wir „product inventory“ oder „traffic per product page“.

Anpassung der Kommunikationskanäle: Es gibt auch viele Tools und Orte, um potenzielle Kunden zu erreichen. Es kann sich dabei um bezahlte, „organische“ oder „virale“ Kommunikationskanäle handeln.

Channel categories:
Leading types of content marketing:

Für jedes Problem gibt es auch eine Lösung: Versuchen Sie je nach Problem zum Beispiel mit dem/den am besten geeigneten Kanal/Kanälen zu experimentieren:

  • Suchen Menschen online nach Lösungen? (Google etc.) → Suchmaschinen-Optimierung (SEO) oder -Marketing (SEM)
  • Teilen bestehende Nutzer Ihr Produkt? (Mundpropaganda) → Viralität oder Weiterempfehlungsprogramme
  • Wird das Gesamterlebnis durch mehr Benutzer verbessert? → Viralität
  • Nutzen die potenziellen Kunden bereits eine andere Plattform? → Integrationen und Partnerschaften
  • Haben Ihre Kunden einen hohen Lifetime Value? → bezahlter Erwerb

Fazit

Da es sich dabei um einen äußerst wichtigen Aspekt handelt, müssen wir ihn gleich doppelt erwähnen: Es reicht nicht aus, ein großartiges digitales Produkt/eine Lösung zu haben. Sie müssen zusätzlich in Bezug auf folgende Aspekte selbst aktiv werden:

  • Positionierung (sich gegenüber dem Markt/der Kategorie abgrenzen);
  • die potenziellen Kunden und ihre Bedeutung entlang des Technology Adoption Life Cycle verstehen;
  • die richtigen Taktiken anwenden (z. B. Kommunikationskanäle, Inhalte), damit Sie die nötige Zugkraft entwickeln.

Die schlechte Nachricht? Gerade bei innovativen digitalen Produkten/Lösungen gibt es keine klaren Richtlinien, da wahrscheinlich noch nie jemand vor Ihnen mit dem gleichen Produkt auf den Markt gegangen ist.

Die gute Nachricht? Da wahrscheinlich noch niemand vor Ihnen mit dem gleichen Produkt auf den Markt gegangen ist, sind die Erwartungen der Kunden nicht sehr hoch, was Ihnen viel Spielraum für Experimente ermöglicht.

Wir wünschen Ihnen viel Glück und gutes Gelingen!

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