Wie Digitalisierung funktioniert: Digitale Werte schaffen, bewerten und verwalten (2/5)

Unser vorheriger Artikel zur Digitalisierung endete mit diesen Sätzen:

[…] die Bereitschaft und die Einstellung eines Unternehmens gegenüber der Innovation [sind] wesentlich. Und wenn es darauf ankommt, einen Mehrwert für die Stakeholder […] zu schaffen, dann ist eine kontinuierliche Erforschung und Weiterentwicklung unerlässlich.

Da die Generierung von Mehrwert in Digitalisierungsprojekten sehr wichtig ist, lassen Sie uns einen Blick darauf werfen, wie Mehrwert generiert, bemessen und gemanagt wird.

 

  1. Wo schafft die Digitalisierung Mehrwert?
  2. Wie kann man den Mehrwert der Digitalisierung einschätzen?
  3. Wie lautet Ihr Digitalisierungsplan?
  4. Denken Sie wie ein Start-up?

1. Wo schafft die Digitalisierung Mehrwert?

Ihr aktuelles Unternehmen kann auf viele Arten Mehrwert generieren, indem es (z. B., jedoch nicht nur):

  • eine bessere Dienstleistung oder ein besseres Produkt anbietet,
  • woran mit besseren Mitarbeitern/Partnern gearbeitet wird,
  • zu niedrigeren Kosten/mit höheren Margen als die Konkurrenz,
  • das schneller/zu einem günstigeren Preis/über mehr Vertriebskanäle geliefert
  • und/oder durch die am besten geeigneten Zahlungsmethoden verwertet wird.

Diese und weitere Bereiche von Wettbewerbsvorteilen wurden in einem übersichtlichen Business Model Canvas abgebildet (von Alexander Osterwalder / Strategyzer.com):

So wie Unternehmen auf viele Arten Mehrwert schaffen können, kann dies auch die Digitalisierung. Durch die Digitalisierung eines oder aller Wettbewerbsbereiche kann ein Unternehmen den erbrachten Mehrwert weiter steigern und so „schneller, größer, stärker“ werden.

Betrachten wir als erstes Beispiel das Feld „Key Activities“, das sich auf die Fertigung bezieht. Die letzten 20 Jahre haben gezeigt, dass ein Unternehmen durch die Digitalisierung von Produktions-, Wartungs- und Kommunikationsabläufen die Kosten deutlich senken und die Fertigungsgeschwindigkeit erhöhen kann. (Siehe die Fallstudien von Berg Software zu Dynamische Arbeitsabläufe für die Lieferung von hergestellten Artikeln und Vorbeugende Wartung von Fertigungsstraßen in einer Fabrik).

Dann das Feld „Key Resources“: Nachdem nun alle (zwangsläufig) herausgefunden haben, dass eine ständige körperliche Anwesenheit in einem Büro nicht unbedingt notwendig ist, entdeckten die Unternehmen, dass gewerbliche Immobilieninvestitionen (auch) nicht zwingend erforderlich sind. Die Digitalisierung der Büroarbeit hat also eine Menge Kapital freigesetzt, das nun in die Entwicklung von Produkten/Mitarbeitern/Vertriebskanälen investiert werden kann. (Oder in Schokolade. Schokolade geht immer.)

Last but not least das Feld „Customer Relationships“: Viele „Beziehungen“ funktionieren auf Gedeih und Verderb über Facebook, Instagram, TikTok & Co. Unternehmen können aber auch ihre eigenen Digital Assets aufbauen, die die Nutzer/Kunden informieren, beschäftigen und zur Rückkehr animieren. Zum Beispiel Mailingketten, die sie über den Lieferstatus auf dem Laufenden halten. Oder süchtig machende Produktkonfiguratoren, die dazu führen, dass sich Nutzer/Kunden in die Optionen vertiefen. Oder, wie es bei vielen Produkt+App-Paketen der Fall ist, Anleitungen, wie man das Produkt richtig benutzt, um den größten Nutzen zu erzielen. (Haben Sie NutriU und GroomTribe von Philips oder Oral-B von Oral-B ausprobiert?)

Unser Learning: Alle Teile eines Geschäftsmodells können von der Digitalisierung profitieren. Sie müssen nur sicherstellen, dass Sie bei der Einschätzung und Entwicklung der Digitalisierungsprojekte 100 % objektiv sind (im Gegensatz zu reinem Wunschdenken).

2. Wie kann man den Mehrwert der Digitalisierung einschätzen?

Allein dadurch, dass Sie einen Teil Ihres Unternehmens digitalisieren, sind nicht automatisch Vorteile für Sie und Ihre Stakeholder garantiert. Bei Berg Software denken wir, dass dies auf zwei verschiedenen Ebenen geschieht:

Metriken: Erstellen Sie eine Reihe klarer, objektiver KPIs, die die Wertschöpfung für Ihren speziellen Fall genau widerspiegeln.
Prozesse: die Art und Weise, wie Sie das Projekt verfolgen und Entscheidungen über das weitere Vorgehen treffen.

Beginnen wir mit den Prozessen: Wie wir bereits geschrieben haben, „kann die richtige Mischung aus Technologien, Märkten und Strategien nicht im Voraus bekannt sein“. Deshalb empfehlen wir, zumindest ein vereinfachtes Design-Thinking-Framework zu übernehmen, mit dem Sie kontinuierlich bauen, messen und lernen. Mit anderen Worten: Sie bauen das Produkt/die Lösung (in seiner/ihrer einfachsten, MVP-Version), messen dann die Reaktion der Nutzer/Kunden, um daraus zu lernen, wie man das Produkt/die Lösung weiterentwickelt (oder auch nicht). Je schneller diese Schleife durchlaufen wird (und – falls das Digitalisierungsprojekt scheitert – je früher), desto besser.

Was die Metriken angeht, so sollten Sie je nach den Besonderheiten Ihres Unternehmens/Produkts verschiedene Dinge berücksichtigen:

  • Kosten: Ja, die Digitalisierung kann ein glänzender Nordstern sein, aber ist sie es wert (im Allgemeinen, oder zumindest jetzt)? Versuchen Sie, die Kosten des Projekts entweder als Gesamtinvestition, Burn-Rate (wie viel Verlust können Sie jeden Monat hinnehmen und wie lange) und/oder CAC/Kundenakquisitionskosten (relevant vor allem in Situationen, die mit neuer Technik zu tun haben, wo die Benutzer es vielleicht nicht schnell „verstehen“) zu betrachten.
  • Wachstumsziele: Was sind Ihre Wachstumsmeilensteine? Müssen Sie schnell Umsatz machen (und sich daher auf die MRR/ARR, d. h. monatlich/jährlich wiederkehrende Umsätze, konzentrieren)? Oder können Sie es sich leisten, eine Community von Nutzern aufzubauen (die Sie durch Wachstums- und Abwanderungsraten messen können), bevor der Umsatz einsetzt?
  • Unterm Strich: Werden Sie Gewinn machen, wenn Sie digitalisieren? Wie viel würde jeder Nutzer zu diesem Gewinn beitragen (durch seine LTV/Lifetime Value)? Oder andersrum gefragt: Wie hoch werden die Verluste sein, wenn Sie nicht digitalisieren?

Andrew Chen (bekannt durch Growth Hacking, jetzt Partner bei Andreessen Horowitz) teilt diese Metriken entlang des Lebenszyklus Ihres Produkts auf: vor und nach dem Product-Market Fit (PMF). Für noch detailliertere Einblicke werfen Sie einen Blick auf sein Investor Metrics Deck.

So kompliziert das auch aussieht, wird sich die Bewertung des Mehrwerts Ihres Digitalisierungsprojekts als keine übermäßig komplexe Sache herausstellen. Solange Sie objektiv bleiben, können Sie dies mit dem richtigen Prozess und einem einfachen Set von (6-8) KPIs gut bewerkstelligen.

3. Wie lautet Ihr Digitalisierungsplan?

Sie haben sich also gerade für die Digitalisierung entschieden. Was nun? Sobald Ihre Ziele, Metriken und Ihr Ausgangsplan klar(er) sind, werden Sie wahrscheinlich zwei Dinge wollen:

  • so viel und so schnell wie möglich über die Nutzer und den Business Case Ihres digitalen Produkts lernen;
  • keine großen Summen Geld und viel Aufwand für etwas riskieren, das noch unsicher ist.

In beiden Fällen ist die Lösung das MVP: ein Minimum Viable Product (~„Prototyp“), das als Platzhalter fungieren kann, um das unternehmensbezogene Lernpotential zu maximieren, während Kosten und Aufwand minimiert werden.

Um es mit den Worten von Eric Ries (The Lean Startup, The Startup Way) zu sagen: “the minimum viable product is that product which has just those features (and no more) that allows you to ship a product that resonates with early adopters; some of whom will pay you money or give you feedback”. (Quelle: Venture Hacks interview)

Sie wollen es genauer wissen? Hier sind einige Beispiele:

  • Das ursprüngliche MVP der AirBnB-Gründer war eine Website, auf der sie Bilder ihrer Wohnung veröffentlichten, die sie an Besucher von Geschäftskonferenzen vermieten wollten. Während dies für den Anfang gut genug war, entwickelten sie schließlich auf ihrem Weg zu einem 100-Milliarden-Euro-Unternehmen weitere Funktionen und Dienste.
  • Im Jahr 1994 begann Amazon mit der einfachsten aller Websites, die nur Bücher zu niedrigen Preisen verkaufte. Viele Learnings (und kartellrechtliche Prüfungen) später ist Amazon heute allgegenwärtig.
  • Dropbox hat nicht einmal ein Produkt entwickelt, sondern nur ein Video, das das Konzept erklärt, um es potenziellen Benutzern/Kunden schmackhaft zu machen.

Wenn Sie also Ihr MVP bauen, denken Sie daran, dass es (A) idealerweise ein bestehendes Produkt sein sollte, (B) mit minimalem Aufwand gebaut werden sollte, und (C) Ihre Business-Value-Annahmen unter Beweis stellen soll.

Wie geht es nach einem MVP weiter? Natürlich gibt es die Möglichkeit, mit einem großartigen digitalen Produkt/einer großartigen digitalen Lösung Erfolg zu haben. Wenn nicht, kann man immer noch versuchen, umzuschwenken – d. h. die Strategie zu ändern, ohne die allgemeine Ausrichtung ändern zu müssen. Das klingt zwar unsicher, führt aber tatsächlich zu einem „Mehrwert“:

  • Netflix schwenkte von DVDs auf Streaming um,
  • PayPal schwenkte von Palm Pilot-Zahlungen auf Web-Zahlungen um,
  • Instagram ist das Ergebnis von Burbn (einer Whiskey-App), die sich auf ihre Foto-Sharing-Funktion konzentrierte.

Und wenn ein Umschwenken auch nicht hilft? Dann akzeptieren Sie vielleicht einfach, dass Ihr Digitalisierungsprojekt innerhalb des aktuellen technologischen, markt- und umsatzstrombezogenen Kontexts keinen Mehrwert generieren kann, beenden Sie es und finden Sie andere Wege zur digitalen Wertschöpfung.

4. Denken Sie wie ein Start-up?

Um noch einmal kurz auf das MVP zurückzukommen, müssen wir betonen, dass sein Zweck darin besteht, den geschäftlichen Nutzen zu testen, und nicht bestimmte Features und/oder Funktionalitäten. Das bedeutet, dass die eigentliche Entwicklung des digitalen Produkts erst beginnen sollte, wenn die Dinge klar sind (naja, klarer…).

Dies hat natürlich Auswirkungen auf die Größe und den Aufbau Ihres Digitalisierungs-Teams.

Für tatsächliche digital-native Start-ups ist die Sache klar: Sie würden aus den verschiedensten Gründen (Größe, fehlende Ressourcen und/oder Einnahmen etc.) so klein wie möglich anfangen. Das Klischee von zwei Partnern, die in einer Garage an einem Nebenprojekt arbeiten, ist haltbar, „weil es wahr ist“.

Aber wie kann das in einer Unternehmensumgebung mit (zehn-)tausenden von Mitarbeitern und milliardenschweren Jahresumsätzen funktionieren? Im vorigen Artikel haben wir die internen Start-ups erwähnt, die verschiedene große Unternehmen gründen, um neue Technologien zu validieren.

Wie funktioniert das? Dazu bietet Eric Ries in seinem The Startup Way (wieder einmal) ein umfassendes Grundgerüst:

Auf Teamebene:

  • Fangen Sie klein an, finden Sie heraus, was in Ihrem Unternehmen funktioniert und was nicht.
  • Sobald eine kritische Masse erreicht ist, erhöhen Sie die Anzahl der Teams/Programme/Beschleuniger.
  • Letztendlich sollte dies „die Art und Weise [werden], wie wir arbeiten“.

Auf Abteilungsebene:

  • Werben Sie zunächst eine kleine Liste von „internen Unterstützern“/„Senior Champion Leaders“ an, die bei Bedarf Ausnahmen von den Unternehmensrichtlinien machen.
  • Wenn Sie die Skalierungsphase erreichen, weisen Sie alle leitenden Angestellten ein, auch diejenigen, die nicht direkt für Innovation verantwortlich sind.
  • Führen Sie schließlich Wachstumsgremien, eine Innovationsbuchhaltung (siehe Metriken/KPIs oben) und klare Zuständigkeiten für alle leitenden Angestellten ein.

Auf Unternehmensebene:

  • Beginnen Sie damit, dass sich die Führungskräfte darauf verständigen, was Erfolg für sie ausmacht (z. B. Kriterien, Zeitplan), und rekrutieren Sie „Champion-Leader“ unter ihnen.
  • Um zu skalieren, entwickeln Sie unternehmensweite Regeln, Finanzierungsmodelle und Verantwortlichkeitstools.
  • Die letzte und komplizierteste Phase wird darin bestehen, die tiefgreifendsten Systeme auf die Digitalisierungsziele auszurichten (Dinge wie Vergütung, Beförderung, Lieferkette usw.).

Da es chaotisch und kompliziert werden kann, sollten Sie die Möglichkeiten, die Ihnen die anfängliche „Start-up-Team baut ein MVP“-Phase bietet, optimal nutzen: Bauen Sie ein minimales Produkt, um zu lernen und gleichzeitig die Kosten niedrig zu halten, legen Sie Ihre unternehmerischen Grundlagen fest, streben Sie danach, den Nutzern/Kunden einen Mehrwert zu bieten.

Und weil wir ein Software-Unternehmen sind, denken wir, dass das Lean-Startup-Konzept auch aus dem Blickwinkel der reinen Software-Entwicklung sinnvoll ist. Gerade bei sequentiellen Projekten („C kann nur passieren, wenn A und B fertig sind“) ist es eine bessere Vorgehensweise, mit einem kleinen Team in einem vernünftigen Zeitrahmen zu arbeiten, als die brachiale Kraft eines größeren Teams mit kurzen/komprimierten Meilensteinen einzusetzen.

Fazit

Die Digitalisierung ist in aller Munde. Das ist gut, weil sie uns zu Innovationen anspornt. Es ist aber auch schlecht, vor allem, wenn es unrealistische Erwartungen weckt. Unser Rat: Stellen Sie sicher, dass Sie sich darauf konzentrieren, Mehrwert zu erzeugen und zu erbringen, und dass Sie in der Lage sind, das alles zu managen.

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